Karriere bei der White Star Line
Keiner der überlebenden Offiziere der Titanic wurde jemals Kapitän eines Schiffes. Aus dieser Ausgangslage heraus ergab sich die Fragestellung, ob überhaupt jemand von den sieben Offizieren der Titanic auch ohne ihren Untergang Kapitän geworden wäre, denn eine Reederei hat immer mehr Offiziere als Kapitäne. Angenommen, die White Star Line hat nur die Titanic sowie die Offiziere der Jungfernfahrt und besetzt den Kapitänsposten ausschließlich mit dem jeweiligen Chief Officer als Nachrücker: Wenn Kapitän Smith in den Ruhestand tritt, folgt also Wilde ihm nach und alle anderen Offiziere rücken einen Rang auf, so dass der 6. Offizier neu angemustert werden muss. Das hätte folgendes Bild ergeben (David Blair soll für dieses Beispiel außer Acht gelassen werden):
Rang | Name | Alter |
Kapitän | Henry Tingle Wilde | 39 |
Chief Officer | William McMaster Murdoch | 39 |
1. Offizier | Charles Herbert Lightoller | 38 |
2. Offizier | Herbert John Pitman | 34 |
3. Offizier | Joseph Groves Boxhall | 28 |
4. Offizier | Harold Godfrey Lowe | 29 |
5. Offizier | James Paul Moody | 25 |
6. Offizier | NN | ?? |
Hieran wird deutlich, dass nun alle warten müssten, bis Wilde auf- oder aussteigt, um erneut einen Schritt nach oben zu machen, und Lowe hätte aufgrund der Tatsache, dass er altersmäßig vor Boxhall steht und rangmäßig hinter ihm, niemals die Chance gehabt, Boxhall zu beerben, sofern Boxhall selbst bis zum Ruhestand durchhält.
Selbstverständlich ändert sich dieses Bild sofort, wenn die White Star Line ein zweites Schiff in Dienst stellt, denn dann benötigt sie zwei Kapitäne und 14 Offiziere, sofern sie die Anzahl der Offiziere unverändert lässt. Damit bekommt Murdoch dann schnell sein eigenes Schiff, und Lightoller sowie die anderen müssen warten, bis Wilde und/oder Murdoch gehen, während die Zahl der Konkurrenten nun auch steigt, denn wenn z. B. Wilde in den Ruhestand geht und Murdoch noch etwas bleibt, ist doch die Frage, ob der Chief Officer der Titanic (also in diesem Fall dann Lightoller) oder der Chief Officer der Titanic II Nachfolger von Wilde als Kapitän wird. Und geht dann Murdoch, ist erneut die Frage, welcher der beiden Chief Officers die Nachfolge antritt und wo dann entsprechend aufgerückt wird. Dieses vereinfachte Beispiel sollte die Problematik verdeutlicht haben, denn natürlich hatte die White Star Line eine größere Flotte. Offiziere wurden auf andere Schiffe versetzt, manche wurden bei der Versetzung zudem um einen Rang befördert, andere dagegen degradiert, und noch wieder andere wurden Kapitän. – Es war Günter Bäbler, der mich vor einigen Jahren mit der Frage konfrontierte, ob Offiziere bei der White Star Line erkennen konnten, wo sie karrieremäßig standen, d. h. konnten sie erkennen, ob sie jemals Kapitän werden würden und wenn ja, vielleicht sogar auf welchem Schiff? Die Beantwortung dieser Fragestellung beinhaltet auch die Antwort darauf, ob es eine Rangliste der Schiffe gab, denn die Schiffe müssen Indikatoren gewesen sein, wenn es denn Karriereanzeiger bei der White Star Line gegeben hat.
Zur Beantwortung der von Günter Bäbler aufgeworfenen Frage habe mich auf zahlreiche Musterrollen gestützt, die ich für Murdochs Biographie benötigt habe. Natürlich ist eine Laufbahn bei der White Star Line zu wenig, um wirkliche Aussagen treffen zu können, deswegen habe ich mir weitere Daten aus „Lloyds Register of Captains“ für die Jahre 1904 – 1911 sowie aus „Lloyds Register of Ships“ für die White Star Schiffe von 1899 bis 1914 besorgt. Das wiederum grenzt die Aussagekraft dieser Arbeit zur Karriere bei der White Star Line auf diesen Zeitraum ein, wobei eine besondere Validität für den Zeitraum 1904 – 1911 erzielt wird.
Wie am vereinfachten Beispiel erkennbar, steigen die Beförderungschancen, wenn die Reederei expandiert. In den Jahren 1899 – 1911 sahen die Zuwächse bei der White Star Line wie folgt aus:
Jahr | Neue Schiffe | Abgegebene Schiffe | Differenz |
1899 | Afric, Medic, Oceanic, Persic | Adriatic (I) | +3 |
1900 | – | Ionic (I) | -1 |
1901 | Runic (II), Suevic, Celtic (II) | Cufic (I) | +2 |
1902 | Athenic, Corinthic | – | +2 |
1903 | Canopic, Ionic (II), Cedric, Arabic (II), Cretic, Romanic, Republic (II) | Nomadic (I), Tauric, Britannic (I) | +4 |
1904 | Cufic (II), Tropic (II), Baltic (II) | Germanic | +2 |
1905 | – | Gaelic | -1 |
1906 | – | Coptic, Doric | -2 |
1907 | Adriatic | Gothic | 0 |
1908 | – | – | 0 |
1909 | Laurentic, Megantic | Republic (II) | +1 |
1910 | Zeeland | – | +1 |
1911 | Olympic, Belgic (III); Zealandic | Zeeland | +2 |
Das bedeutet, die Flotte der White Star Line ist in dem Zeitraum um 13 Schiffe angewachsen, und dementsprechend wurden 13 Kapitäne und – wenn man von lediglich fünf Offizieren je Schiff ausgeht, wie es im Australiendienst üblich war – 65 Offiziere zusätzlich benötigt. Dabei entstand dieser Bedarf schwankend, und es gab auch Jahre der Reduzierung. Die Aufstiegschancen waren natürlich größer in den Jahren des Flottenausbaus, während es in den anderen Jahren zwangsläufig zur Stagnation kommen musste. Das wiederum bedeutete: Wer in den Jahren des Wachstums nicht befördert wurde, verlor im internen Wettlauf zu den Kapitänsposten an Boden.
Eine besondere Wachstumsphase gab es in den Jahren 1899 bis 1904, als die Flotte um zwölf Schiffe wuchs. In diesen Jahren muss es mit den Beförderungen schnell gegangen sein, und auch die Offiziere, die Kapitän wurden, waren vermutlich jünger als üblich. Ein Beispiel dafür ist Bertram Hayes, der von dieser Expansion profitierte – und dann gleich für Jahrzehnte einen Kapitänsposten blockierte. Und genau diesem Problem sahen sich uns bekannte Offiziere wie Wilde, Murdoch und Lightoller gegenüber: Sie machten am Anfang zwar schnell als Offiziere innerhalb der Reederei Karriere, kamen dann aber nicht weiter, weil der Flottenausbau stockte und die Kapitänsposten von jungen Kapitänen besetzt waren, die noch viele Jahre bis zum Ruhestand vor sich hatten. Generell lässt sich festhalten, dass man bei der White Star Line im Alter von 35 bis 45 Jahren Kapitän wurde oder gar nicht mehr, und bei allen Crewlisten, die ich gesehen habe, hatte der Kapitän mindestens den Rang eines Lieutenant RNR, d. h. um Kapitän eines Passagierschiffes der White Star Line auf der Hauptroute nach New York zu werden, musste man im Alter von 35 bis 45 Jahren Kapitän werden und anscheinend als Reserveoffizier der Royal Navy den Rang eines Lieutenant haben. Wer es also nicht schaffte, zum Lieutenant RNR zu werden, wird gewusst haben, dass er es nicht zum Kapitän bringen würde. Von den dienstälteren Offizieren der Titanic waren Wilde und Murdoch Lieutenants RNR, während Lightoller nach eigenen Angaben vor dem britischen Untersuchungsausschuss Sub-Lieutenant RNR war. Mit 38 Jahren – also im „beförderungsfähigen“ Alter, fehlte ihm auf jeden Fall noch der RNR-Rang, so dass es um seine Chance 1912 nicht besonders gut gestellt war. Allerdings könnten veränderte Rahmenbedingungen wie Expansion der Flotte, Beförderung bei der RNR, Ausscheiden/Scheitern von Konkurrenten die Lage natürlich zu Gunsten Lightollers ändern; nur beeinflussbar waren diese von ihm nicht oder kaum.
Diese Altersgrenze in Kombination mit einer stagnierenden Anzahl von Schiffen würde sich langfristig auch auf die Beförderungen auswirken müssen. Um beim Beispiel Murdoch und Lightoller zu bleiben: Auf ihrem ersten gemeinsamen Schiff im Jahr 1900, der Medic, war Murdoch 27 Jahre alt und 3. Offizier. Lightoller war 26 Jahre alt und 4. Offizier. 2. Offizier war ein gewisser Edgar L. Trant, 26 Jahre alt. Lightoller würde an Murdoch und Trant vorbeikommen müssen, um Kapitän zu werden (zumindest Murdoch hat er bis 1912 nicht geschafft), und Murdoch hatte mit Trant „ein Problem“ vor sich – Trant wurde übrigens der letzte Kommodore der WSL. Aber: Murdoch muss ihn in den Expansionsjahren überholt haben, denn der Name Trant taucht bis 1912 bei den Top-Schiffen nicht auf, obwohl Trant 1899/1900 die bessere Ausgangsbasis hatte.
Wie schon angedeutet, gab es offensichtlich verschiedene „Schiffsklassen“. Die Joint Services muss ich bei dieser Betrachtung aufgrund fehlender Daten außen vor lassen, so dass in dieser Betrachtung die reinen WSL-Routen einfließen. Bei den übrigen Schiffen gab es offenbar folgende Abstufungen; die Listung erfolgt aufsteigend:
5. Klasse | Frachtschiffe, Viehtransporter |
4. Klasse | Australiendienst, evtl. Neuseelandfahrt |
3. Klasse | Liverpool – Boston; Mittelmeer – New York |
2. Klasse | bis 1907: Liverpool – New York; ergänzende Abfahrt alle 14 Tage freitags in der Hauptsaison; diese Schiffe wurden in der Nebensaison auf der Hauptroute eingesetzt, wenn die Hauptschiffe in der Wartung waren
ab 1907: Liverpool – New York; wöchentliche Abfahrt |
1. Klasse | bis 1907: Liverpool – New York; wöchentliche Abfahrt
ab 1907: Southampton – New York |
Das bedeutet, wenn ein Offizier von einem Schiff aus dem Passagierdienst nach Australien auf ein Frachtschiff versetzt wurde, musste er, um den gleichen internen Rang zu behalten, bei dieser Versetzung um einen Rang befördert werden; alles andere war ein Rückschritt. Für einen Offizier eines Passagierschiffes im Australiendienst, der auf die Route Liverpool – New York (Ergänzende Abfahrt) versetzt wurde, war es dementsprechend eine Beförderung, wenn er seinen Rang beibehielt und sogar eine doppelte Beförderung, wenn er bei dieser Versetzung um einen Rang aufstieg. Kapitäne mussten die gleiche „Ochsentour“ erneut machen, und auch hier war es fraglich, ob sie es jemals bis in die Premiumroute (bis 1907 die Mittwochsabfahrten Liverpool – New York, ab 1907 die Route Southampton – New York) schaffen würden, da die Anzahl der Schiffe in diesen Diensten bis Sommer 1911 vier betrug und danach dann nur noch drei. Damit wird klar, dass ein Kapitän 1911 aufgrund der Reduzierung der Schiffe im Premiumdienst einen Rückschritt hinnehmen musste – es war Bertram Hayes, der von der Laurentic im Joint Service nach Kanada auf die Adriatic versetzt wurde, als die Adriatic noch im Southampton – New York Dienst stand. Mit dem Ruhestand Smiths hätte sich das Problem von alleine gelöst, da dadurch einer der vier Top-Kapitäne ausgeschieden wäre und Hayes hätte dann vermutlich als Kapitän der Olympic den Aufstieg gemacht. Durch den Untergang der Titanic blieb Hayes auf der Adriatic stecken – die bereits mehr oder weniger ausgemusterte Majestic nahm den Platz der Titanic im Premiumdienst ein; wahrscheinlich weil die Adriatic zu langsam für eine Rundreisedauer von nur drei Wochen war.
Eine besondere Rolle scheint das Flaggschiff gespielt zu haben; von 1899 bis 1907 war es die Oceanic, von 1907 bis 1911 die Adriatic und ab 1911 – mit der Unterbrechung durch die unvollendete Reise der Titanic – die Olympic. Eindeutig zu erkennen ist das Flaggschiff daran, dass der dienstälteste Kapitän das Kommando hat. Bis 1907 war es J. G. Cameron, und hier ist ein „Zwischenfall“ aus dem Jahr 1906 interessant. Aus mir bis jetzt noch unbekannten Gründen wurde eine Rundreise der Oceanic abgesagt, nachdem ein Teil der Crew bereits angemustert hatte; es war die Rundreise 13.02.1906 – 10.03.1906, bei der am 09.02.06 bereits folgende Offiziere in der Musterrolle aufgeführt wurden:
J. G. Cameron (Kapitän), W. M. Murdoch (2. Offizier), F. J. Burd (3. Offizier), D. Macpherson (4. Offizier)
Statt der Oceanic fuhr die Cedric, die laut Lloyd’s Register of Ships unter dem Kommando von Kapitän Haddock stand. Für die Reisen 13.02.1906 – 10.03.1906 und 14.03.1906 – 06.04.1906 wurden für die Cedric folgender Kapitän und folgende Offiziere gemustert:
J. G. Cameron (Kapitän; Oceanic), C. E. Starck (Chief; Oceanic), W. M. Murdoch (Erster; Oceanic), E. Stokes-Smith (Zweiter; Cedric), F. J. Burd (Dritter; Oceanic), A. Brocklebank (Vierter; Cedric), D. McPherson (Fünfter; Oceanic), R. H. Landman (Sechster, Oceanic).
Hier fällt auf, dass der Kapitän der Oceanic die Cedric für zwei Reisen übernimmt und dass der 2. Offizier der Oceanic auf der Cedric als 1. Offizier gemustert wird, was die Vermutung unterstreicht, dass zumindest im Bereich der wachhabenden Offiziere der 2. Offizier auf einem Flaggschiff den Status eines 1. Offiziers auf einem anderen Schiff hat.
Ein weiteres Indiz für die unterschiedliche Stellung der Schiffe wird ab August 1911 sichtbar, als das monatliche Gehalt des Chief Officers der Olympic auf ₤ 25 festgelegt wird, womit der Chief Officer der Olympic vermutlich der ungekrönte Großverdiener unter den Offizieren war. Der 1. Offizier der Olympic erhielt ₤ 17.10.0, was dem Gehalt des Chief Officers auf der Adriatic (zu dem Zeitpunkt im Liverpool – New York – Dienst) entsprach. Der 2. Offizier der Olympic erhielt ein Gehalt, das dem eines 1. Offiziers auf kleineren Schiffen entsprach. Das wiederum bedeutete, dass den Offizieren und selbstverständlich auch den Kapitänen klar gewesen sein muss, welches Standing sie innerhalb der Hierarchie hatten, welche Beförderungschancen sich ihnen eröffneten – und ob sie die Chance hatten, jemals Kapitän zu werden. Das soll am Beispiel von Joseph Evans verdeutlicht werden: Die Jungfernfahrt der Olympic machte Joseph Evans als Chief Officer mit. Er war Jahrgang 1858, hatte 1888 sein Kapitänspatent abgelegt und hat die große Beförderungswelle bis 1904 nicht nutzen können, um wie andere Nautiker seiner Generation zum Kapitän aufzusteigen, und durfte nun davon ausgehen, dass er nie mehr Kapitän werden würde, weil er mit über 50 Jahren die „magische“ Altersgrenze für die Beförderung in die Kapitänslaufbahn überschritten hatte.
Beinahe „Bilderbuchkarrieren“ über die Jahre 1904 bis 1911 haben die Offiziere Robert Hume, Charles Herbert Lightoller und William McMaster Murdoch gemacht. An ihnen wird das Ranking der Schiffe und damit der Offiziere besonders gut deutlich – Beförderungen entpuppen sich dabei so manches Mal gar nicht als Beförderung, wenn die Route des neuen Schiffes mit einbezogen wird oder wenn es vom Flaggschiff zurück auf ein anderes Schiff geht, während Versetzungen unter Beibehalt des Ranges lupenreine Beförderungen sein können und Versetzungen unter Verlust eines Ranges dem Beibehalt des Standings entsprechen, wenn der niedrigere Rang auf einem höherklassigen Schiff übernommen wird – die Germanic gehörte 1904 bereits zur American Line, wurde aber offensichtlich noch von der White Star Line bemannt; möglicherweise hat die Germanic 1904 bereits die Route Southampton – New York für die White Star Line ausgetestet; Kapitän der Germanic im Jahr 1904 war übrigens Kapitän Charles Bartlett.
1904: | |||
Hume | Cretic Armenian |
Zweiter Erster |
Mittelmeer – New York Frachtdienst New York |
Lightoller | Germanic Majestic |
Zweiter Zweiter |
Southampton – New York Liverpool – New York |
Murdoch | Celtic Celtic Germanic |
Zweiter Erster Erster |
Liverpool – New York Liverpool – New York Southampton – New York |
1905 | |||
Hume | Armenian Majestic Majestic Georgic Majestic |
Erster Erster Zweiter Erster Zweiter |
Frachtdienst New York Liverpool – New York Liverpool – New York Viehtransport New York Liverpool – New York |
Lightoller | Majestic Cedric |
Zweiter Zweiter |
Liverpool – New York Liverpool – New York |
Murdoch | Oceanic (Flaggschiff) | Zweiter | Liverpool – New York |
1906 | |||
Hume | Majestic | Zweiter | Liverpool – New York |
Lightoller | Cymric Oceanic (Flaggschiff) |
Zweiter Zweiter |
Liverpool – Boston Liverpool – New York |
Murdoch | Oceanic (Flaggschiff) Cedric Oceanic (Flaggschiff) Oceanic (Flaggschiff) |
Zweiter Erster Zweiter Erster |
Liverpool – New York Liverpool – New York Liverpool – New York Liverpool – New York |
1907 | |||
Hume | Majestic | Zweiter | Liverpool – New York Southampton – New York |
Lightoller | Oceanic (Flaggschiff) Oceanic Teutonic Oceanic |
Erster Zweiter Zweiter Zweiter |
Liverpool – New York Southampton – New York Southampton – New York Southampton – New York |
Murdoch | Adriatic (Flaggschiff) | Erster | Southampton – New York |
1908 | |||
Hume | Majestic | Zweiter | Southampton – New York |
Lightoller | Oceanic | Zweiter | Southampton – New York |
Murdoch | Adriatic (Flaggschiff) | Erster | Southampton – New York |
1909 | |||
Hume | Majestic Arabic |
Zweiter Zweiter |
Southampton – New York Liverpool – Boston |
Lightoller | Oceanic Oceanic |
Zweiter Erster |
Southampton – New York Southampton – New York |
Murdoch | Adriatic (Flaggschiff) | Erster | Southampton – New York |
1910 | |||
Hume | Majestic Oceanic |
Zweiter Zweiter |
Southampton – New York Southampton – New York |
Lightoller | Oceanic Teutonic |
Zweiter Erster |
Southampton – New York Southampton – New York |
Murdoch | Adriatic (Flaggschiff) | Erster | Southampton – New York |
1911 | |||
Hume | Oceanic Olympic (Flaggschiff) |
Zweiter Zweiter |
Southampton – New York Southampton – New York |
Lightoller | Oceanic | Erster | Southampton – New York |
Murdoch | Adriatic (Flaggschiff) Olympic (Flaggschiff) |
Erster Erster |
Southampton – New York Southampton – New York |
Etwas „bewegter“ war übrigens die Karriere von Henry Tingle Wilde im Betrachtungszeitraum; wobei bis auf die eine Fahrt als Kapitän der Rang nicht eindeutig erkennbar gewesen ist:
- 1904: kein Schiff notiert
- 1905: Arabic (Liverpool – Boston) und Celtic (Liverpool – New York ergänzende Fahrten)
- 1906: Celtic, Medic (Australiendienst)
- 1907: Medic
- 1908: Medic, Cymric (Liverpool – Boston), Canopic (Mittelmeerdienst)
- 1909: Laurentic (Kanada-Dienst), Cedric (Liverpool – New York)
- 1910: Cedric
- 1911: Megantic (Kanada-Dienst), Zeeland (Kapitän, Liverpool – New York), Teutonic (vermutlich Southampton – New York), Cedric (Liverpool – New York), Olympic (Southampton – New York)
Und zum Vergleich auch noch die Laufbahn des bereits erwähnten Edgar Lukeman Trant (geboren 1874, Kapitänspatent und Extramaster 1898) im Zeitraum 1904 – 1911, und auch hier sind die Ränge nicht eindeutig erkennbar:
- 1904: Corinthic (Mittelmeer – New York), Canopic (Mittelmeer – New York)
- 1905: Armenian (Frachter, 2 Reisen)
- 1906: Armenian (Frachter, 1 Reise)
- 1907: kein Schiff notiert
- 1908: Cretic (Mittelmeer – New York), Majestic (Southampton – New York), Georgic (Frachter/Viehtransporter)
- 1909: Georgic (Frachter/Viehtransporter), Laurentic (Kanada-Dienst), Georgic (Frachter/Viehtransporter)
- 1910: Medic (Australiendienst)
- 1911: Baltic (Liverpool – New York), Teutonic (Kanada-Dienst)
Die Problematik für die Einordnung liegt im Rangsystem der WSL mit Chief, Erster und Zweiter, das nicht völlig kompatibel zu den Sortierungen von Lloyd’s Register of Captains war. Dieses Register führt alle Einsätze aller Nautiker mit Kapitänspatent, die als Kapitän oder „verantwortlicher Wachoffizier“ gefahren sind und sollte der Risikoabschätzung bei den Versicherungsprämien dienen. Traditionell gab es Kapitän sowie Erster und Zweiter Steuermann auf den Schiffen, während die WSL neben dem Kapitän mit Chief Officer sowie Erstem und Zweitem für das System des Registers einen Offizier zu viel an Bord hatte. In den Registern der Jahre 1904 – 1911 wurden die Namen der Schiffe, auf denen der jeweilige Patentinhaber Kapitän war, in Großbuchstaben geschrieben, womit Kapitänsposten leicht zu identifizieren sind. Einsätze als Chief müssen nach dem Lloyd’s System grundsätzlich mit „normalen“ Buchstaben und ohne besondere Kennzeichnung geschrieben worden sein. Bei Einsätzen als Zweiter war der Schiffsname unterstrichen. Problematisch war der 1. Offizier, für den es keine Regelung gibt. Überwiegend scheint es so gewesen zu sein, dass zwischen Chief und Erstem keine Unterscheidung gemacht wurde, d. h. für Lloyds waren Chief Officer und 1. Offizier rangmäßig identisch und damit versicherungstechnisch ein identisches Risiko. Außerdem scheint die Unterstreichung oder Nicht-Unterstreichung eine mögliche Fehlerquelle gewesen zu sein, denn Murdoch z. B. war 1904 für wenigstens zwei Fahrten Erster auf der Celtic, während Lloyd’s Register ihn die ganze Zeit als Zweiten führt. So lassen sich evtl. auch „Degradierungen“ in den Laufbahnen von Hume und Lightoller erklären. Hier kann nur ein Abgleich mit den Crewlisten Auflösung bringen.
Wenn wir davon ausgehen, dass an den Gerüchten, Wilde und Murdoch hätten 1912 kurz vor ihrem eigenen Kommando gestanden, etwas dran ist, müssten für die Jahre 1912, 1913 oder 1914 „neue“ Kapitäne für die WSL feststellbar sein – das wären dann die Profiteure vom Untergang der Titanic, bei dem Konkurrenten um die knappen Kapitänsposten ihr Leben verloren. Und so bitter der Verlust der erfahrenen Offiziere auch gewesen sein mag, für drei Offiziere bedeutete es auch den Sprung zum Kapitän (Ersatz für E. J. Smith sowie Beförderung anstelle von Wilde und Murdoch). Ich habe versucht, die Namen anhand von „Lloyd’s Register of Ships“ herauszufinden und bin dabei auf folgende „Newcomer“ gestoßen, die möglicherweise die Profiteure vom Titanic-Unglück waren:
- J. English (Jahrgang 1863) wurde 1912 als Kapitän der Delphic gelistet, einem Schiff im Neuseelanddienst, und 1913 war E. J. English dann Kapitän der Suevic, einem Schiff im Australiendienst.
- Summers wurde 1912 erstmals als Kapitän gelistet und führte die Persic, ebenfalls ein Schiff im Australiendienst.
- Holme (Jahrgang 1867) wurde 1913 als Kapitän der Cufic (Frachter im Australiendienst) geführt und 1914 als Kapitän der Medic, einem Schiff im Australiendienst.
Ohne den Untergang der Titanic wären möglicherweise E. J. English und A. Holme niemals Kapitän geworden, da sie bereits das „magische“ Alter von 45 Jahren erreicht oder überschritten hatten. Gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass Wilde und Murdoch ihre ersten Schritte als Kapitäne im Dienst nach Down Under gemacht hätten, Wilde vielleicht auf der Persic und Murdoch möglicherweise auf der Suevic oder Medic.
Quellen:
Haws, Duncan, Merchant Fleets. White Star Line, Hereford, 1990
Störmer, Susanne, William McMaster Murdoch. A Career at Sea. Elmshorn, 2002
Lloyd’s Register of Captains 1904 – 1911, Einträge für Hume, Lightoller, Wilde, English, Holme, Trant, Evans
Lloyd’s Register of Ships 1899 – 1914
© Susanne Störmer, 2007
Erstveröffentlichung: Deutscher Titanic-Verein von 1997 e. V., Der Navigator, Nr. 2, 11. Jahrgang (August 2007)